Mutter

Dein Leben, so arm begonnen, so schmerzlich beendet; –
hat doch bewirkt, daß mein Schicksal sich wendet.
Ich will: empor!

Ach, Mutter! Was hast du mir alles gegeben,
viel Lehren und Schläge zum Ducken im Leben.
Und: ich erfror!

Deine Mutter war eines Bauers Dirn,
Dein Vater ein Knecht, mit sehr wenig Hirn, –
doch: er sie erkor!

Das war doch die Zeit, wo das einz’ge Vergnügen,
mußt wohl oder übel im Alkohol liegen.
Dein Vater kam damals berauscht wohl nach Haus,
und schlug Deiner Mutter ein Auge aus.
Im Streit!

Da packst Du Dein Bündel, – nichts wie hinweg!
Du wanderst nach Wien, verläßt diesen Dreck.
Nicht weit!

Du bist hübsch, Du bist jung, Du bist gar nicht so dumm.
Du suchst einen Mann, – und da schaust Du dich um:
gescheit!

Und Du wolltest den Sepp, doch du kriegtest den Hans;
doch ein Mann war er, – und das war er wohl ganz!
Bereit!

Bereit, sein Leben so ganz zu geben
(für Dich, Mutter);
und sonst nichts, sonst nichts mehr daneben.
Sag: „dank!“.

Du bist aus N.-Ö. und er aus dem Land der Burgen.
Er verliert seinen Job – ja, da kommen die Sorgen.
Viel zu lang!

Thronfolger Ferdi schießt nie mehr einen Bock.
Und der Kaiser schenkt Hans einen grauen Rock!
Laut klingt ein Ruf übers ganze Reich:
Serbien muß Sterbien, aber gleich!
Dir ist so bang!

Für eure Liebe ist nur kurze Zeit gegeben.
Doch du, Mutter, schenktest dem zweiten Hans das Leben.
Voll Mut!

Der Krieg bricht dann aus, Vater muß ins Feld.
Und es mangelt an Milch, an Brot und an Geld.
Als der Kaiser dann stirbt, – weinst Du ihm noch nach.
Ja der Krieg ist verloren; jetzt wirst auch Du wach:
Voll Wut!

Dann kommt heim Dein Hans, der Dich innig begrüßt;
und du hast einen Sohn, der dich liebt, der Dich küßt!
das tut gut!

Der kleine Hans wächst heran, so schnell er nur kann.
Er wird – Jesu gleich – ein Zimmermann.
Und der Papa ist wieder in seinem Job;
Schwarzdecker wie einst er war, gottlob!
Ist das fein?

Doch die Jahre vergehen, sie fliegen im Wind.
Was ihr euch erhofft, das verweht so geschwind!
Aus dem Männerheim erhob sich Adolf, der Miese,
und es wurde ein Sturm aus Deutschlands Brise:
welch Schwein . . .

Der kleine Hans, er muß zur Hajot,
er versteht’s nicht so ganz, denkt nicht an den Tod.
Vom Erntedienst nach Hause gekommen,
da – stirbt er: – er hat eure Seele genommen!
Läßt euch allein!

Und der große Hans muß wieder ins Feld.
es fehlt wieder an Milch, an Brot und an Geld.
Doch einmal gab’s Urlaub, – daß es sowas gibt;
und ihr, ihr habt euch verzweifelt geliebt!
Da wurd‘ ich!

Und dann Vater in Polen, – in Rußland sogar,
kämpft gegen den, der kein Feind ihm doch war.
Er verlor manchen Freund, – und er wurde gefangen;
er wurde gequält, aber doch nicht gehangen.
Fürchterlich!

Und dann kam er nach Haus, und  i c h  war schon da.
Er war krank, er war siech, doch: wir war’n ihm nah.
Und er begann wieder mit der Dachdeckerei,
so, als ob nie gewesen das sei:
zwei Kriege, dies Elend, die Not;
als schrecklichstes noch des ersten Sohnes Tod.
Vorbei!

Und Papa wird krank; ich seh‘ ihn nicht mehr;
Mutter kommt heim und weinet so sehr:
der Papa ist tot!

Und sie weint, und sie schreit, und sie will schier vergeh’n;
ich bin noch zu klein, – ich kann’s nicht versteh’n:
„Papa tot?“.

Mutter:

Wer hat dir denn dein Leben verdorben?
wer trägt die schuld, daß Klein-Hans gestorben?
wer hat dir und Papa das Leben verpfuscht?
Nur  d i e ,  vor denen ihr ewig gekuscht:
Kaiser, König, Edelmann,
Führer, Volk und Vaterlan . . .

Nun schrei!

Dann kamst Du endlich zu Kreuze gekrochen;
hast mich  n i e  gebogen,  n i e mich gebrochen:
ich liebte Dich!

Ich liebte Dich, Du hast’s nie begriffen; –
Du schlugst mich so oft, – ich hab‘ nie gekniffen.
So oft wollt‘ ich fort,
doch gab ich mein Wort:
ich liebe Dich!

Dann wurde Dir bang,
dann wurdest Du krank,
dann starbst auch Du –

Herr! (falls es Dich gibt),
schenk‘ Mutter die ewige Ruh‘!
Mutter, ich liebte Dich!

So wie es begonnen, so geht es dahin:
Der Anfang ist Ende, das Ende Beginn!
Ach Mutter, so sag‘ mir,
wo liegt denn der Sinn?
Wo liegt denn der Sinn?
Der Sinn?
Der Sinn?

BITTE WO?